Vers des Monats November

Tipp des Monats

Vers des Monats November

 

Sprüche

 

Aus der Weisheitsliteratur im Alten Testament kann man viel lernen. Besonders die Sprüche sind ein Fundus an Lebensweisheiten, Beobachtungen über das Verhalten von Menschen und Erfahrungen. Nicht nur sind es hilfreiche Tipps, wie wir aus den Fehlern anderer lernen können, sondern gleichzeitig auch Gottes Offenbarungen an uns, wie wir im Alltag unser Leben besser und in Gottesfurcht meistern können.

Auch in den Sprüchen gibt es ein paar Aussagen zur Barmherzigkeit, die wir uns diesen Monat besonders anschauen wollen. Bei zwei der Sprüche wird interessanterweise die Barmherzigkeit ihrem Gegenteil gegenüber gestellt – der Grausamkeit. Diesen Gedanken fand ich sehr interessant. Das ganze Jahr über haben wir immer wieder geschaut, wie die Bibel Barmherzigkeit definiert, in welchen Situationen sie auftaucht, was damit gemeint ist – im November wollen wir mehr über Barmherzigkeit lernen, indem wir uns das Gegenteil anschauen, die Grausamkeit.

 

Was ist Grausamkeit?

Grausamkeit ist nicht die Abwesenheit von Barmherzigkeit, das wäre nämlich Gleichgültigkeit. Wenn ich gleichgültig bin, bin ich sozusagen neutral. Mein Herz kann in beide Richtungen bewegt werden.

Oft sind uns Dinge egal oder wir sind unwissend und passiv, aber durch Informationen und äußere Umstände kann unser Herz bewegt werden. Entweder zum Mitgefühl in Richtung Barmherzigkeit oder zur Kälte und Grausamkeit. Aber Grausamkeit ist nicht nur Kälte und Ignoranz. Genauer gesagt ist es, wenn man Not sieht und nicht einschreitet und hilft, obwohl man die Mittel und Möglichkeiten dazu hätte.

 

Wie äußert sich Grausamkeit?

Nehmen wir dieses Beispiel: Ich bin in der Stadt unterwegs (neutral) und sehe, wie jemand auf dem Fahrradweg mit dem Rad stürzt. Bei diesem Anblick kann ich entweder Empathie empfinden und voller Barmherzigkeit demjenigen helfen, weil ich weiß, wie weh es tut oder ich kann den gestürzten Menschen mit Händen in der Tasche grausam beobachten, entweder kalt ohne Gefühlsregung oder voller Schadenfreude.

Ich denke, in jedem von uns ist die Anlage zur Grausamkeit vorhanden und je nachdem, wie sehr man sich abstumpft oder sein Denken und Fühlen in dieser Hinsicht fördert, wird sie immer mehr zum Vorschein kommen.

 

Der Gerechte kümmert sich um das Wohlergehen seines Viehs, aber das Herz der Gottlosen ist grausam.

Spr 12,10

 

Beim ersten Spruch zu diesem Thema geht es um den Gerechten, den Gottlosen und ihr unterschiedliches Verhalten. Der Gerechte ist im Alten Testament immer jemand, der sich an Gottes Gebote hält.

Von dem Gerechten wird hier gesagt, dass er nicht nur Gottes Gesetz befolgt, seine Mitmenschen also entsprechend gerecht behandelt, sondern sich sogar darum kümmert, dass es seinen Tieren gutgeht. Wörtlich heißt es: „Er beachtet/kennt die Seele seines Viehs.“

Das zeigt uns, dass jemand, der Gott und seine Gebote, d.h. jemand anderen als sich selbst an oberste Stelle stellt, diesen mehr achtet als sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse. Gottes Wille ist es, dass wir mit anderen liebevoll umgehen.

Die Sprüche sagen: Jemand, der gerecht ist, kümmert sich nicht nur um seine Mitmenschen, sondern sogar um sein Vieh, obwohl es ’nur‘ Tiere sind. In einer Kultur, in der die Menschen Viehwirtschaft, Schlachtungen, Tempelopfer, Eingeweide und Blut so hautnah erlebten, und Tiere als Nutzvieh ansahen, ist diese Aussage von besonderer Bedeutung.

Der Gottlose dagegen hat sich selbst an oberste Stelle gestellt. Er erkennt keinen Gott über sich an, sondern stellt im Zweifel seine eigenen Bedürfnisse über die anderer. Er ist im Innersten grausam. Wörtlich heißt es: „Die Eingeweide der Gottlosen sind grausam.“

Im Alten Testament wurden die Eingeweide als Sitz der Gefühle und des Mitgefühls gesehen. Der Sprücheschreiber drückt also aus, dass jemand, der sich selbst als oberste Instanz sieht, in der großen Gefahr steht, anderen gegenüber hart und kalt zu reagieren. Wer sich nicht von Gotttes Liebe verändern lässt, wird egoistisch und damit grausam.

 

Was sind die Folgen von Grausamkeit?

Verhalten hat Folgen. Die Bibel und besonders die Sprüche machen ganz deutlich, dass man nicht in einem luftleeren Raum lebt, sondern in Beziehungen mit anderen.

So wie Gott mit uns in einer intakten Beziehung leben möchte, möchte er auch, dass wir Menschen untereinander gelingende Beziehungen haben. Das wünschen wir uns auch, oder? Keinen Streit sondern einander verstehen? Es ist möglich mit Gottes Hilfe! Mit seiner Hilfe können wir uns für die Barmherzigkeit entscheiden und sie auch leben.

Einen zweiten Vers wollen wir uns noch anschauen:

 

Ein barmherziger Mensch tut seiner eigenen Seele Gutes, ein Grausamer aber schneidet sich ins eigene Fleisch.

Spr 11,17

 

Unser Verhalten betrifft nie nur andere, sondern auch uns selbst. Der Vers in Sprüche 11 will uns vor Augen führen, dass unser Verhalten Folgen für uns selbst hat. Aber warum tut ein barmherziger Mensch sich selbst Gutes?

Wer barmherzig ist, nimmt Anteil am Leid anderer und reagiert darauf.
Wer barmherzig ist, lässt sich von Not berühren und hält seine Seele weich.
Er freut sich, wenn er helfen kann.
Er bildet Beziehungen zu anderen.
Er lernt dazu und reift.
Er sammelt Schätze im Himmel.
Er lebt in Gottes Willen und liebt andere.

 

Jemand, der dagegen grausam ist, schadet anderen und zerstört damit Beziehungen.
Er stößt die Menschen um sich herum von sich.
Er verletzt sein Gewissen.
Er stumpft sich ab.
Er fördert seinen Egoismus.
Er wird durch sein Verhalten einsam.

 

Barmherzig oder grausam?

Vielleicht fragst du dich, ob du barmherzig oder grausam bist. Ich würde sagen, die Frage ist nicht immer so ganz einfach zu beantworten. Man verhält sich nicht immer konstant, das Leben ist nicht immer schwarz und weiß. Wenn ich mich heute so verhalte, kann ich es morgen schon ganz anders tun. Auf manche Menschen reagiert man so, auf andere so. Auch die eigene Verfassung spielt eine Rolle: Bin ich ausgeschlafen, habe ich viel um die Ohren, hat mich vorhin jemand angemeckert?

Ich denke, wichtig ist, dass man aufmerksam bleibt. Dass man sich fragt, warum man sich so verhält wie man es tut. Dass man mit Gott darüber redet und von ihm die Kraft erbittet, so zu handeln, wie er es gerne möchte.

Eine wichtige Frage kannst du dir selbst stellen, um dich zu prüfen: Wie verhalte ich mich dem Schwächsten gegenüber? Trample ich über ihn hinweg oder nehme ich Rücksicht auf ihn? Werde ich ungeduldig und möchte meine Ziele erreichen oder lerne ich Mitleid mit den Schwachheiten anderer?

Ich wünsch dir, dass du auf dem lebenslangen Prozess der Barmherzigkeit immer weiter Fortschritte machst!

 

Barmherzigkeit bedeutet, mitfühlend auf Leid zu reagieren.

 

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